Nach siebenjährigem Feilschen haben National- und Ständerat in der vergangenen Wintersession der «Ehe für alle» zugestimmt – und packten gleich noch den Samenspende-Zugang für lesbische Paare obendrauf. Obwohl namhafte Juristen eindringlich appellierten, dass die Umdeutung des Ehe-Begriffs zwingend eine Verfassungsänderung nach sich hätte ziehen müssen, paukte das Parlament die «Ehe für alle» auf dem Gesetzesweg durch. Ideologische Motive stachen rechtsstaatliche Bedenken aus – ein Referendum ist jetzt Ehrensache.
Hintergrundbeitrag zum Referendum «Nein zur Ehe für alle» von Anian Liebrand, erschienen in der «Schweizerzeit» am 12. Februar 2021
Fast wäre die Überraschung geglückt: Die renommierte Zürcher Juristin Prof. Isabelle Häner formulierte in einem Rechtsgutachten handfeste Zweifel am parlamentarischen Vorgehen, die Ehe auf nicht-heterosexuelle Paare mit einer einfachen Gesetzesänderung auszudehnen. Häners Argumente, den Grundsatz «Kein Gesetz ohne Verfassungsgrundlage » in Erinnerung rufend, haben fast die Hälfte des Ständerats überzeugt. Letztlich hätte nur die Thurgauer CVP-Ständerätin Brigitte Häberli nicht von der Parteilinie abweichen dürfen – und das nun vorliegende «Ehe für alle»-Paket wäre bereits am Dezember 2020 gescheitert.
Klar definierter Ehe-Begriff
Als die neue Bundesverfassung 1999 in Kraft getreten ist, war laut Isabelle Häners Gutachten der juristische und gesellschaftliche Kontext, wonach die Ehe als dauerhaft angelegte Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau gilt, noch unbestritten. Zu argumentieren, wegen des seither eingetretenen gesellschaftlichen Wandels könne Art. 14 der Bundesverfassung [Das Recht auf Ehe und Familie ist gewährleistet.] mittlerweile ohne Weiteres so interpretiert werden, dass Homosexuelle mitgemeint seien, entbehre jeder Grundlage.
Seit 1999 hat der Bundesrat mehrfach die traditionelle Definition des Ehebegriffs als Verbindung zwischen Mann und Frau bestätigt:
- 2007 im Rahmen der Einführung der eingetragenen Partnerschaft für homosexuelle Paare
- 2013 in seiner Botschaft zur Volksinitiative «für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»
- 2015 in seinem Bericht über die Modernisierung des Familienrechts
Für den Weg einer Verfassungsänderung spricht im Übrigen auch, dass selbst die parlamentarische Initiative «Ehe für alle», 2013 von der Grünliberalen Fraktion lanciert, eine Neudefinition der Ehe in der Verfassung verlangte. Noch im Februar 2014 bestätigte der Bundesrat diese Haltung in seiner Antwort auf eine Interpellation einer Grünen-Politikerin:
«Die traditionelle Definition der Ehe ist nicht neu, sondern entspricht der geltenden Auslegung von Artikel 14 BV. (…) Eine Ausweitung auf alle Formen des Zusammenlebens würde dem Grundgedanken des Instituts Ehe widersprechen. Auch gemäss bisheriger bundesgerichtlicher Rechtsprechung umfasst der Ehebegriff die gleichgeschlechtlichen Paare nicht. (…).»
Noch glasklarer ist die fehlende Verfassungsgrundlage in Bezug auf den Zugang zur Samenspende für lesbische Paare. CVP-Ständerat Beat Rieder führte in der Ratsdebatte aus: «Das 2004 erlassene Partnerschaftsgesetz verbietet in Artikel 28 – ausdrücklich gestützt auf die Bundesverfassung – homosexuellen Paaren den Zugang zur Fortpflanzungsmedizin.»
Ideologisches Machtspiel
Die Schweiz kennt bekanntlich kein Verfassungsgericht, welches die Verfassungsmässigkeit neuer Gesetze beurteilt. Mit Verweis darauf, dass es folglich das Parlament in der Hand habe, in Streitfragen das letzte Wort zu sprechen, setzten sich die «Ehe für alle»- Turbos aus FDP und Linken schliesslich durch. Dieser schludrige und respektlose Umgang mit unserer Bundesverfassung sendet verheerende Signale aus. Nur weil sich die politischen Mehrheiten nach Mitte-Links verschoben haben, dürfen rechtsstaatliche Grundsätze nicht über Bord geworfen werden.
Schicksals-Auseinandersetzung
Die Ehe als natürliche, bewusst eingegangene Verbindung von Mann und Frau, ist symbiotisch mit der Familie verknüpft. Nur aus Mann und Frau entstehen Kinder, welche die Gesellschaft von morgen sicherstellen. Deshalb liegt es im ureigenen Interesse des Staates, die traditionelle Ehe zu privilegieren. In Zeiten (zu) tiefer Geburtenraten kann dieser Faktor nicht noch genug bemessen werden – sind es doch die in stabilem Umfeld und mit soliden Werten aufgewachsenen Kinder, welche als künftige Leistungsträger das Fortbestehen der staatlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ordnung ermöglichen. Schwindet dieses Verständnis von Ehe und Familie, steht unsere Gesellschaft vor dem Sinkflug: Das Kind wird zum «Projekt» privilegierter homosexueller Paare. Wir ebnen damit das Feld für ein gewaltiges Gesellschaftsexperiment, dessen Resultat nicht nur die Umpflügung sämtlicher auf Stabilität und Wertebewusstsein ausgelegter Strukturen sein wird.
Wo bleibt das Kindswohl?
Jedes Kind hat das Recht, seine Abstammung zu kennen. Erfährt das in einer «Ehe» zweier Mütter lebende Kind nie, wer der leibliche Vater ist, sind weitreichende Identitätsprobleme vorprogrammiert. Zwar sieht das vorliegende «Ehe für alle»-Gesetz explizit vor, dass auch bei Samenspenden für lesbische Paare das Recht auf Abstammung zu gewähren ist – was es dabei zur Auflage macht, dass die Spender ihre Identität gegenüber dem Kind offenlegen müssen. Das Missbrauchspotenzial wird damit aber nicht unterbunden. Abzulehnen ist der lesbischen Paaren neuerdings zugestandene Zugang zu Samenspenden auch deshalb, weil er eine neue Diskriminierung schafft. Nicht-heterosexuellen Männerpaaren, die einen Kinderwunsch haben, bleibt der Zugang zur Fortpflanzungsmedizin nämlich verwehrt. Der einzige Weg, wie schwule Paare zu «eigenen Kindern» kommen könnten, ist nämlich die Leihmutterschaft. Diese ist heute in der Schweiz verboten. Die Befürworter der «Ehe für alle» argumentieren gerne damit, dass alle die gleichen Rechte erhalten sollen und nur eine Ehe mit dem Recht auf Kinder eine vollwertige Ehe sei. Die Frage der Leihmutterschaft blenden sie dabei geflissentlich aus. Dies im Wissen darum, dass die Leihmutterschaft heute nicht mehrheitsfähig wäre. Ist der Grundstein für lesbische Paare erst einmal gelegt, wird die Leihmutterschaft aber früher oder später – nach der bekannten Salamitaktik der LGBT-Lobby – nicht mehr zu verhindern sein.
Haltung bewahren
Sowohl die Samenspende als auch die Leihmutterschaft für Nicht-Heterosexuelle sind verwerflich. Bei einer Leihmutterschaft Kindern die traumatische Trennung von der austragenden Mutter zuzumuten – bloss um den Kinderwunsch fremder Männer zu befriedigen –, dürfen wir nicht hinnehmen. Wir wissen heute, dass vorgeburtliche Bindung für eine gesunde Entwicklung des Kindes zentral ist. Schwule und lesbische Paare, die vom Anspruch getrieben sind, gemeinsam Kinder zu erhalten, versuchen nichts anderes, als die «Natur auszutricksen». Während heterosexuellen Paaren der Weg zur Samenspende nur dann offensteht, wenn die Unfruchtbarkeit nachgewiesen ist, fällt dieser Faktor bei nicht-heterosexuellen Paaren weg. Es kann aber – und das ist ganz wesentlich – keinen Anspruch auf ein Kind geben. Das Kind ist kein Produkt in einem Katalog, das man bestellen kann, weil es gerade in die persönliche Lebensphase passt.
Aus all diesen Gründen bitte ich Sie, das Referendum «Nein zur Ehe für alle» zu unterschreiben und in dieser Zeit gröbster gesellschaftlicher Verwerfungen Haltung zu zeigen. In der gegenwärtigen Epoche, in der sämtliches Verständnis des Guten und «Normalen» auf den Kopf gestellt wird, braucht das Abendland – dringender als je zuvor – Vorbilder, die anderen den Weg weisen und Halt vermitteln. Möge Gott uns bei dieser wahrlich schweren Aufgabe beistehen!