Tages-Anzeiger-Portrait: Der Rebell von aussen rechts

Schon als 18-Jähriger gewann Anian Liebrand den ersten Abstimmungskampf – mit der Burka-Initiative feierte er seinen bisher grössten Coup. Jetzt will er die Ehe für alle verhindern.

Portrait von Fabian Fellmann, erschienen im «Tages-Anzeiger» am 8. April 2021

Sein Name ist in der Öffentlichkeit kaum geläufig, doch sein Wirken gibt derzeit viel zu reden. Erst gerade haben die Schweizer Stimmberechtigten die Burka-Initiative knapp angenommen, schon setzt deren Koordinator Anian Liebrand zum nächsten Kampf an.

Am Montag dürfte er mit dem Komitee «Nein zur Ehe für alle» die Referendumsunterschriften der Bundeskanzlei übergeben. Bestätigen will Liebrand das nicht, aber vieles spricht dafür, dass der Sekretär mehr als die nötigen 50’000 Unterschriften zusammengebracht hat.

«Ich war eine Art Rebell, und das war man eher, wenn man bei den Rechten war.»

Das wäre ein weiterer Beleg für das «unglaubliche politische Talent», das dem 31-Jährigen selbst seine Gegnerschaft bescheinigt. Der Widerstand gegen die Ehe für alle ist ein politisches Randthema, mitten in der Pandemie ist es besonders anspruchsvoll, die Gegnerschaft zu mobilisieren. Genau das ist Liebrands Steckenpferd, seit er mit 16 Jahren der Jungen SVP beitrat, weil sein Umfeld in der Kantonsschule Beromünster links gewesen sei. «Ich war eine Art Rebell, und das war man eher, wenn man bei den Rechten war», sagt Liebrand.

Foto: Keystone

Mit 18 Jahren leitete er seine erste Kampagne gegen eine Gemeindefusion – und gewann. Ein Jahr später orchestrierte er das Luzerner Nein zum Bildungskonkordat Harmos.

Laustarke Kritik am Idol Christoph Blocher

Trotz seines steilen Einstiegs tat sich Liebrand schwer, in der Partei Fuss zu fassen. Zunächst versuchte Nationalrätin Yvette Estermann vergeblich, ihn als Sekretär der Luzerner SVP zu installieren: Zu extrem war der Jungspund den Parteioberen. Selbst sein Idol Christoph Blocher kritisierte er schon früh lautstark und medienwirksam. An einem Holocaust-Gedenktag beschwerte er sich, «linke Lehrer» würden «in der Schule immer nur die Fehler der Schweiz im Zweiten Weltkrieg» aufzeigen.

Über den Umweg als Chefredaktor der Parteizeitung schaffte es Liebrand schliesslich doch an die Schlüsselstelle als kantonaler Parteisekretär, die er 2014 gegen das Präsidium der nationalen Jungpartei tauschte.

Kampf gegen Plüschgenitalien

Von sich reden machte er damals mit einer Initiative gegen Sexualkunde in der Volksschule – Stein des Anstosses waren Plüschgenitalien in Basler Unterrichtsmitteln. Erneut überschritt Liebrand Grenzen: Weil er Gegner als «gewaltbereite Linksextreme» betitelte, wurde er rechtskräftig wegen übler Nachrede verurteilt.

Schliesslich kehrte Liebrand den Parteiämtern den Rücken, wurde Redaktor der «Schweizer Zeit» und gründete mit einem Luzerner SVP-Werber ein Unternehmen für Politberatung, mit dem er sein Geld verdient. Parlamentsmandate seien «oft verschwendete Energie, weil dort sowieso keine Chancen auf eine Mehrheit bestehen. Lieber wähle ich den direktdemokratischen Weg», sagt er heute.

Nach wie vor SVP-Mitglied, sei er heute meist für die Eidgenössisch-Demokratische Union tätig, unter anderem beim – erfolglosen – Referendum gegen die Erweiterung der Anti-Rassismus-Strafnorm auf homophobe Äusserungen.

«Mit 18 Jahren war ich noch der Kopf-durch-die-Wand-Typ.»

Während er eher noch weiter nach rechts rückte, ist sein Stil ruhiger geworden. Die Kampagne gegen die Ehe für alle soll «nicht provozieren, sondern darlegen, dass wir nur unser demokratisches Recht wahrnehmen», eine «sachliche Argumentation» soll die Mehrheit ansprechen.

«Mit 18 Jahren war ich noch der Kopf-durch-die-Wand-Typ», sagt Liebrand. «Inzwischen bin ich sehr pragmatisch geworden und wäge ab, was der Sache dient.»

Anian Liebrand
Anian Liebrand
Geboren 1989 in Fribourg. Aufgewachsen in Beromünster LU. Nach Abschluss der kaufmännischen Berufsmatura diverse praxisnahe Weiterbildungen, u.a. im Marketing. Von 2014 bis 2016 Präsident der Jungen SVP Schweiz. Heute in verschiedenen Funktionen für unterschiedliche Parteien und Organisation tätig. 2020 Gründung der Politagentur.ch GmbH als deren Geschäftsführer.

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