Kürzlich schaute ich mit meiner Partnerin mal wieder «Blödel-TV». Am Montagabend läuft auf einem Schweizer Privatsender wieder «Die Bachelorette» – ein Unterhaltungsformat, in dem zwanzig Männer um die Gunst einer schönen Frau buhlen. Jede Woche werden ein paar Männer nach Hause geschickt. Für sie heisst es dann jeweils: «Heute gibt es keine Rose für Dich».
«Schlusspunkt»-Kolumne von Anian Liebrand, erschienen in der «Schweizerzeit» am 14. Mai 2021
Die Sendung ist zusammen mit dem männlichen Pendant «Der Bachelor» das aktuell bekannteste «Trash-Format» im Schweizer Fernsehen. Sie bietet besten Anschauungsunterricht für eine vertiefte Gesellschaftsanalyse und dokumentiert den Wandel von Verhaltensmustern, Werten und ethnischer Zusammensetzung der jungen Generation von heute im Vergleich zu früher.
Ich würde ihr grosses Unrecht antun, würde ich behaupten, die Sendungsteilnehmer wären repräsentativ für die junge – auch meine – Generation. Unsere Generation ist keinesfalls «verloren». Gewisse Tendenzen lassen sich aber festhalten. So widerspiegelt die Sendung beispielhaft, dass die digitale Welt, in die wir hineingeboren wurden, uns über Gebühr zu oberflächlichen, sozial defizitären Selbstdarstellern gemacht hat.
Hört man sich die Lebensziele vieler junger Menschen an, will sich heute fast jeder selbst verwirklichen und «viel Kohle verdienen», ohne sich dafür die Hände schmutzig zu machen und Verantwortung zu übernehmen. So überrascht auch nicht, dass die Hauptdarstellerin der diesjährigen Staffel von Beruf «Influencerin» und Model ist. Sie gibt vor, ihr Geld mit gestellten Fotos und Produktwerbung auf dem sozialen Medium «Instagram» zu verdienen. Ich denke mir nur: Eine Gesellschaft, die solche Lebensentwürfe möglich macht, darf nicht überrascht sein, wenn das Kartenhaus früher oder später zusammenbricht.
Eine Szene ist mir besonders in Erinnerung geblieben und fasst den Wandel der Zeit eindrücklich zusammen. Unter den vielen Muskelprotzen und Egozentrikern aus aller Herren Länder sticht unter den Kandidaten nämlich ein sympathischer Tennislehrer aus dem Aargau hervor: Der 25-jährige Hans, dessen traditioneller Vorname in seiner Familie seit Generationen weitergegeben wird. Als Hans sich der «Bachelorette» vorstellt, lachen ihn seine zu grossen Teilen süd- und fremdländischen Konkurrenten wegen seines Vornamens hemmungslos aus und machen Witze darüber. Der junge Mann steckt die Attacke aber selbstbewusst weg. Er sei es gewohnt, deswegen gemobbt zu werden.
«Die Bachelorette» führt uns vor Augen: In der Schweiz anno 2021 ist der traditionelle Schweizer der Exot und Ausgegrenzte.