Am vergangenen Wochenende waren die Augen von Millionen Schweizerinnen und Schweizer wieder auf das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest (ESAF) gerichtet. In Pratteln versammelte sich die Schweiz, wie wir sie schätzen: Ein Querschnitt aus allen Bevölkerungsschichten bekennt sich zu urchigen Werten, Traditionen und zur Gemeinschaft.
«Schlusspunkt»-Kolumne von Anian Liebrand, erschienen in der «Schweizerzeit» am 2. September 2022
Zum ESAF pilgerten nicht nur die in Verbänden organisierten Schwingfans und Ehrenamtlichen, die in den letzten Jahren einen gewaltigen Aufmerksamkeitsschub für ihren Sport erleben durften. Die rund 50’000 Plätze fassende Arena hätten wohl ohnehin fünf- bis zehnmal verkauft werden können. Zweifellos hat die Kommerzialisierung des Schwingsports und des Brauchtums auch ihre Schattenseiten. Das liebe Geld führte schon seit je her in Versuchung. Die Aufwertung des Festes und von alldem, wofür es steht, bewirkte jedoch einmal mehr, dass das ESAF-Gelände – mit Public Viewing und vielerlei anderen Angeboten – ein Anziehungspunkt für Hunderttausende war, die sich von der urchigen und volksnahen Ausstrahlung angesprochen fühlten.
Die vielen jungen Leute in Edelweisshemden und mit «Chüeligurt» zu sehen – einfach herrlich! Bezeichnend waren die Publikumsbilder, die junge Besuchergruppen zeigten, wie sie mit Käseraspeln, Holzbrett und Landjäger ihre urchige Verpflegung zubereiteten. Mit Kafischnaps, einem Stumpen oder mit Rotwein stimmten sie die unterschiedlichsten Mundartlieder an – danach gab es einen Schnupf und alle waren fröhlich und zufrieden.
Was sich in den letzten rund zwanzig Jahren abgezeichnet hat, setzte sich in Pratteln fort: Es ist längst wieder «cool» geworden, sich zu dem zu bekennen, was die bodenständige Schweiz ausmacht. «Siehe, die Erde ist nicht verdammt», mag man an die Botschaft des grossen Albert Anker denken – wenngleich diese Anlehnung etwas gar epochal aufgeladen erscheinen mag.
Es überrascht kaum, dass die Blaulicht-Organisationen ein rundum positives Fazit zum ESAF ziehen. Obwohl das Fest rund 400’000 Besucher anlockte, mussten die Einsatzkräfte nur vereinzelt ausrücken. Selbst die An- und Abreise verlief diszipliniert und ohne grössere Verkehrsbehinderungen – kein Vergleich mit Anlässen ähnlicher Grössenordnungen. Wo sich die Schweiz versammelt, wie wir sie lieben, ist friedliches Zusammenleben eben keine hohle Phrase, sondern vielleicht ein leuchtendes Konzept für die Zukunft.