Willkommen im «Gender-Gaga»-Land!

Ein zehnminütiges Gespräch beim Zivilstandsamt sowie eine Bearbeitungsgebühr von 75 Franken genügen: Seit Anfang dieses Jahres ist es in der Schweiz für Alle ab sechzehn Jahren ohne grossen Aufwand möglich, das eigene Geschlecht ändern zu lassen. Willkommen in der kulturmarxistisch-genderfluiden Eidgenossenschaft anno 2022!

«BRISANT»-Kolumne von Anian Liebrand, erschienen auf «schweizerzeit.ch» am 28. Januar 2022

Man kann nicht sagen, niemand hätte kommen sehen, was uns die Politik hier aufgebrummt hat. Dennoch mussten wir ungläubig beobachten, wie die Bundesversammlung – im Banne der umtriebigen LGBT-Lobby (Lobby der Nichtheterosexuellen-Verbände) – alle Warnsignale ausblendete und im Dezember 2020 einer Änderung des Zivilgesetzbuches zustimmte, die es künftig allen Einwohnerinnen und Einwohnern der Schweiz erlauben sollte, ab dem sechzehnten Altersjahr ohne vertiefte Prüfung oder Begründung beim Zivilstandsamt ein anderes Geschlecht (oder einen anderen Vornamen) eintragen zu lassen.

Vergeblich hatten SVP und EDU gewarnt, dass hier ohne Not die Büchse der Pandora geöffnet wird und wir einer Entwicklung Aufschwung verleihen, die kein Ende mehr nehmen dürfte.

Missbrauch

Justizministerin Karin Keller-Suter hatte damals in der Parlamentsdebatte versprochen, dass das prophezeite Missbrauchspotenzial nicht bestünde. Niemand würde «aus einer Laune heraus» das Geschlecht wechseln. Es ginge vielmehr darum, ein Zeichen gegenüber Menschen zu setzen, die das Gefühl hätten, «im falschen Körper» zu stecken.

Konkret geht es dabei um sog. «Transmenschen und Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung», von denen einige die bis anhin geltenden Gesetze lautstark als zu umständlich und sogar «diskriminierend» beschimpft hatten. Früher war nämlich für eine Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister unter anderem eine medizinische Untersuchung nötig. Weil die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht gemäss der Gender-Ideologie aber nicht mehr an biologische Komponenten geknüpft werden darf, gelten realitätsbezogene Gesetze aus der Zeit des gesunden Menschenverstands bei Anhängern dieser Ideologie als «alter Zopf».

Seit dem 1. Januar 2022 ist die vereinfachte Geschlechtsänderung nun in Kraft – und bereits sorgt ein dreister Missbrauchsfall für Schlagzeilen. Ein sechzigjähriger Luzerner hat sich am 5. Januar vom Zivilstandsamt zur Frau erklären lassen. Das Portal «zentralplus.ch» berichtet:

«Nicht, weil er sich mit diesem Geschlecht besser identifizieren kann. Sondern rein aus finanziellen Gründen: dank der Geschlechtsänderung geht der Mann ein Jahr früher in Rente – und erhält so zwischen 15’000 und 30’000 Franken zusätzliche Rente

Die Zivilstandsämter seien vom Bundesamt für Justiz angewiesen worden, «nicht aktiv nach einem Missbrauch» zu suchen, weil davon auszugehen sei, dass die ihr Geschlecht ändern wollenden Bürger grundsätzlich aufrichtig handelten. Es sei lediglich noch zu prüfen, ob der geäusserte Wille der inneren Überzeugung der Person entspreche.

Absurde Entwicklung

Schon wenige Tage nach Inkrafttreten wird einer breiten Öffentlichkeit nun bewusst, welch fatale Folgen das «vereinfachte Geschlechtsänderungs-Gesetz» mit sich zieht. Weitere Missbrauchsfälle sind nur eine Frage der Zeit – und die Möglichkeiten sind schier grenzenlos! Man denke an den dienstpflichtigen Rekruten, der sich vor dem anstehenden Militärdienst drücken will: Ein Gang zum Zivilstandsamt – er fühle sich jetzt als Frau – und zack, die Dienstpflicht entfällt.

Die Frauenquote schreibt die Geschlechter-Besetzung einer Geschäftsleitung vor? Kein Problem! Wenn sich der männliche Bewerber als Frau verstehen will, kann ihm ein diskriminierungsfreies Unternehmen den Frauenbonus nicht mehr verwehren.

Aber auch in «frauenlastigen» Berufen wie der Pflege oder dem Bildungswesen ist die Erhöhung des Männeranteils nur noch einen 75-Franken billigen Amtsstempel entfernt.

Sie denken, dies seien an den Haaren herbeigezogene Beispiele? Ganz im Gegenteil: Es geht noch viel absurder, wie ein Abstecher in ausländische Staaten beweist, die solche Gender-Gesetze seit längerer Zeit kennen. In England gab ein verurteilter Vergewaltiger an, sich als «Transgender-Frau» zu definieren – um in ein Frauengefängnis überstellt zu werden, wo er (oder sie) prompt wieder Mitinsassinnen sexuell belästigte.

Dies ist offenbar kein Einzelfall: Im Vereinigten Königreich werden immer häufiger Männer, die durch eine Selbsterklärung ihr Geschlecht von männlich auf weiblich wechseln, als Frauen in der Kriminalstatistik geführt. Im Juli 2021 gingen Untersuchungen davon aus, dass die Aufnahme von Trans-Frauen zu einer Verfälschung der weiblichen Kriminalstatistik von bis zu zwanzig Prozent geführt hat.

Pragmatismus: Nicht erwünscht!

Aus medizinischer Sicht ist erwiesen, dass ein kleiner Prozentsatz der Menschen «im falschen Körper» geboren wird. Es gibt Menschen, die bei der Geburt sowohl weibliche als auch männliche Geschlechtsmerkmale aufweisen, die dann oftmals einem Geschlecht zugewiesen werden, dem sich die Betroffenen in ihrer Entwicklung nicht zugehörig fühlen. Ein prominentes Beispiel hiefür ist die österreichische Ski-Rennfahrerin Erika Schinegger (Abfahrts-Weltmeisterin 1966). Nachdem medizinisch festgestellt wurde, dass Schinegger genetisch männlich ist, unterzog sie sich einer Geschlechtsumwandlung und lebt heute als Erik. In der Fachsprache bezeichnet man dieses Phänomen als Pseudohermaphroditismus.

Ich frage mich ernsthaft, inwiefern diesen Menschen mit dem neuen, missbrauchsanfälligen Gesetz tatsächlich geholfen wird. Das Gegenteil ist doch der Fall! Wer schon in jungen Jahren physisch leidet und sich «nicht wohl in der eigenen Haut» ist, hat doch nichts davon, wenn das für ihn so zentrale Thema ad absurdum geführt wird, indem jedermann und jedefrau die Geschlechtsfrage von Opportunitäten abhängig machen und kurzfristige Gefühle über biologische Fakten stellen kann. Da hätte es doch bestimmt Alternativen gegeben, die einerseits den Schineggers dieser Welt das Leben hätten erleichtern und gleichzeitig die öffentliche Ordnung hätten wahren können.

Ideologische Verblendung

Doch so einfach ist es bekanntlich nicht. Die Debattenhoheit über Geschlechterfragen haben nämlich ideologische Kreise erlangt, für welche die pragmatische Lösung eines vorhandenen Problems offensichtlich zweitrangig ist. Wenn Ideologen, die glauben, es gäbe sechzig oder noch mehr Geschlechter, den Takt angeben, sind Verzettelung und Verkomplizierung vorprogrammiert.

In aller Munde sind die sogenannten «Transgender», deren Lobby in den letzten Jahren stark gewachsen ist. Linke Parteien, kulturmarxistische Zirkel sowie Schwulen- und Lesbenverbände haben sich zu deren Sprachrohr gewandelt, indem sie «Transgender»-Politik mit eigenen Anliegen vermengt und unter dem Oberbegriff der «Queer»-Ideologie zu einer neuen Programmatik verformt haben. Die regenbogenfarbene «LGBT»-Community steht nicht von ungefähr für «Lesbisch, Gay (schwul), Bisexuell und Transsexuell».

Hier geht es nicht mehr um pragmatisches Zusammenleben in einer heterosexuellen Mehrheitsgesellschaft, sondern um Gefühle, die Bewirtschaftung von Minderwertigkeitskomplexen und den Anspruch, Andersdenkende den eigenen Befindlichkeiten unterzuordnen. Der gerne verwendete Kampfbegriff lautet «Geschlechtsidentität».

Trans-Menschen verstehen sich als Personen, «deren Geschlechtsidentität nicht oder nicht vollständig mit dem bei Geburt anhand der äusseren Merkmale im Geburtenregister eingetragenen Geschlecht übereinstimmt, oder die eine binäre Geschlechtszuordnung ablehnen.» Zusammengefasst vertreten diese Kreise die Ansicht, dass sich eine Gesellschaft nicht anmassen darf, Menschen einem Geschlecht zuzuordnen. Jeder Mensch dürfe seine Geschlechtsidentität selber bestimmen – und diese darf sich in kein Schema drücken lassen. Geschlechtsidentitäten könnten sich wandeln («Gender-Fluidität») und dürften erst recht nicht nach biologischen Kriterien definiert werden.

«SRF Dok» vom 25. Januar 2018 fasste diese «Gefühlswelten» (oder Ideologiekonstrukte) wie folgt zusammen: «Transmenschen fühlen sich nicht dem Geschlecht zugehörig, dem sie bei der Geburt zugeordnet wurden. Sie identifizieren sich entweder als das andere Geschlecht, als zwischen den Geschlechtern oder als ein bisschen von allem. Transmenschen sind überzeugt: Was zur Identität zählt, ist die Seele. Nicht der Körper.»

Erfolgreiches LGBT-Lobbying

Die oben geschilderten Hintergründe muss man kennen, um das per Anfang 2022 in Kraft getretene Geschlechtsänderungs-Gesetz richtig einzuordnen. Es ist der LGBT-Community in jahrelangem Lobbying gelungen, eine Mehrheit der Eidgenössischen Bundesversammlung von der Dringlichkeit ihrer ideologischen Rezepte zu überzeugen. Die schätzungsweise höchstens vierzigtausend Personen, die heute in der Schweiz leben und sich als «Transgender» oder «Non-Binäre» bezeichnen, sind der Prellbock, um die «heteronormative», vom Geschlechtergleichgewicht von Mann und Frau getragene Gesellschaft zu stürzen.

Unter dem Vorwand, einer kleinen Minderheit von 0,5 Prozent der Gesamtbevölkerung einen Gefallen zu tun, wurde ein Gesetz beschlossen, das Mann und Frau gegeneinander ausspielt und alle verbindlichen Geschlechts-Eigenschaften der Lächerlichkeit preisgibt. Dabei dürfen wir eines nicht vergessen: Möglich geworden ist diese Perversion nur deshalb, weil CVP und FDP im Parlament mehrheitlich mit den Linken gestimmt haben.

Einmal mehr liess das aktuelle Parlament jegliche ordnungspolitische Konsistenz vermissen. Die gleichen Kreise, die Sechzehnjährigen die Mündigkeit aberkennen, mit Tabakwerbung umzugehen, halten es für normal, dass diese mit einem Gang zum Zivilstandsamt ihr Geschlecht ändern können. Wie kann ein bürgerlicher Parlamentarier solche Widersprüche mit sich vereinbaren?

Weitere Dammbrüche verhindern

Rückblickend war es ein grosser Fehler, dass gegen die Gesetzesanpassung «Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister» kein Referendum ergriffen wurde. Wir, die wir die gesellschaftspolitische Flanke nicht den «Jekami-Liberallallas» überlassen, standen damals vor dem Dilemma, dass gleichentags auch die «Ehe für alle» beschlossen wurde.

EDU und verbündete Kräfte standen vor der Zwickmühle: Beide Referenden versuchen oder uns angesichts begrenzter Ressourcen nur auf die «Ehe für alle» konzentrieren? Es ist ernüchternd, dass viele Aufgaben immer auf denselben Personen lasten. Es bleibt zu hoffen, dass die SVP gesellschaftspolitischen Weichenstellungen künftig mehr Gewicht beimisst – damit weitere Dammbrüche, die schon in der Pipeline sind (Legalisierung von Polyamorie und Leihmutterschaft), künftig nicht mehr «unter dem Radar» durchsegeln.

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Anian Liebrand
Anian Liebrand
Geboren 1989 in Fribourg. Aufgewachsen in Beromünster LU. Nach Abschluss der kaufmännischen Berufsmatura diverse praxisnahe Weiterbildungen, u.a. im Marketing. Von 2014 bis 2016 Präsident der Jungen SVP Schweiz. Heute in verschiedenen Funktionen für unterschiedliche Parteien und Organisation tätig. 2020 Gründung der Politagentur.ch GmbH als deren Geschäftsführer.

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