62 Prozent der Stimmbevölkerung haben den Covid-Verschärfungen am 28. November zugestimmt. Ein überdeutliches Verdikt, das viele Aktivisten, die sich in den vergangenen Monaten mit beeindruckendem Einsatz für ein Nein stark gemacht haben – darunter wohl tausende «Neu-Erweckte» –, masslos enttäuscht. Es ist nichts als menschlich, dass unter ihnen Stimmen Oberhand gewinnen, die wutgeschwängert, laut und resigniert über einen Rückzug aus der politischen Teilhabe sinnieren.
«Schlusspunkt»-Kolumne von Anian Liebrand, erschienen in der «Schweizerzeit» am 3. Dezember 2021
Angesichts drohender «2G-Regel» und im Raum stehender Impfpflicht wird in Massnahmenskeptiker-Kreisen darüber diskutiert, eine «Parallelgesellschaft» aufzubauen. Es sollen neue Netzwerke entstehen, in denen sich Ungeimpfte frei entfalten können – mit eigenen Schulen, Geschäften und Medien, die sich in zivilem Ungehorsam der Spaltung der Gesellschaft widersetzen.
Die Fronten verhärten sich: Massnahmen-Fanatiker sehen den 28. November als Freipass, um die Schraube mit neuem Lockdown und 2G weiter anzuziehen. Teile der Gegenseite reagieren mit Trotz und verziehen sich in ihre Nischen. Das sind keine guten Vorzeichen für die angebrochene Adventszeit, die im Zeichen der Besinnung, Vergebung und Brüderlichkeit stehen sollte. Hat der Bundesrat die Grösse, die von ihm mitverursachte Spaltung zu verringern und Hoffnung und Zuversicht zu vermitteln, indem er auf das Nein-Lager zugeht und ein klares Ausstiegs-Szenario aus dem «Massnahmen-Regime» skizziert?
Von den Medienkonzernen ist wohl kein Beitrag für ein besseres Klima im Land zu erwarten. Allen voran geifert und pöbelt die Ringier-Presse munter weiter gegen alle, die sich vom bundesrätlichen Pandemie-Management nicht vertreten fühlen. Insofern ist es mir sympathisch, diesen Medien-Mainstream, der mit dem neuen Mediengesetz auch noch «Staatsknete» verlangt, durch gezieltere Anstrengungen zu konkurrenzieren.
Die Gründung von «Parallelgesellschaften» ist dennoch nicht wirklich eine Alternative. Wir können solche nicht bemängeln, wenn sie von Einwanderern und Muslimen ausgehen, uns aber selber in ebendiese flüchten, wenn wir das Gefühl haben, dass «alles den Bach runter» geht. Und Berset und Co. den Gefallen zu tun, sich aus der Politik zurückzuziehen, sollte erst recht nicht in Frage kommen – was aber nicht heisst, dass ziviler Ungehorsam im Extremfall auszuschliessen ist.