Kürzlich erinnerte ich mich an eine Posse, die sich zu Zeiten zugetragen hat, als ich noch ein «umtriebiger Jungpolitiker» war. Als es darum ging, eine überparteiliche Allianz aufzubauen (ich glaube, es ging gegen staatliche Überwachung), wurden von linker Seite hinter meinem Rücken Vorbehalte gegen mich geäussert: Bei mir müsse man aufpassen. Ich sei mit der «Schweizerzeit» verbandelt, und diese sei «geschichtsrevisionistisch» und «revanchistisch».
«Schlusspunkt»-Kolumne von Anian Liebrand, erschienen in der «Schweizerzeit» am 3. Juni 2022
Revisionismus – wieder so ein abwertend gemeinter Kampfbegriff, der in der gegenwärtigen Hochblüte der «Woke»-Kultur Urständ feiert. Er gehört in die gleiche Schublade wie der «Klimaleugner», der «alte weisse Mann», «Schwurbler» oder «Verschwörungstheoretiker». Dass die Betitelung als Revisionist heute von weiten Kreisen der Bevölkerung als Beschimpfung angesehen wird, demonstriert beispielhaft den Siegeszug der Kulturmarxisten im Kampf um die Herrschaft über die Sprache.
Dabei ist der Revisionismus in seiner eigentlichen Bedeutung eine edle Sache, ja ein notwendiger Bestandteil jeder Wahrheitssuche. Laut Experten und Enzyklopädien steht der Begriff für «Versuche, eine als allgemein anerkannt geltende historische, politische oder wissenschaftliche Erkenntnis und Position (Konsens) nochmals zu überprüfen, in Frage zu stellen, neu zu bewerten oder umzudeuten». So ist es eine zentrale Eigenschaft jedes Wissenschafters, sein eigenes und das Schaffen seiner Kollegen kritisch zu beäugen und – wenn neue Erkenntnisse vorliegen – einst für richtig Befundenes zu revidieren. Für jeden kritischen und wachen Zeitgenossen, dem die Wahrheit am Herzen liegt, ist es doch Ehrensache, alle möglichen Angelegenheiten hie und da einer Revision zu unterziehen.
Wie mit dem Revisionismus ein solch hehres Prinzip unserer Zivilisation derart in den Schmutz gezogen werden konnte, muss mit politischen Absichten zu tun haben. So werden Revisionisten heute von vielen Medien mit Holocaustleugnern gleichgesetzt, weil auch diese etwas revidieren wollen. Es ist geradezu bösartig, dass sämtliche Ansätze von Rechten, Aspekte der Geschichtsschreibung neu aufzuarbeiten, in den gleichen Topf geworfen werden.
Ich jedenfalls bin der «Schweizerzeit» dankbar, dass sie immer wieder den Mut zeigt, auch den Historiker-Mainstream zu hinterfragen. Unvergessen ihr Widerstand gegen die Verunglimpfungen der Schweiz im Zweiten Weltkrieg durch die Bergier-Kommission. Dafür bin auch ich gerne geschichtsrevisionistisch.