Es ist mittlerweile eine leidige Tradition: Kurz vor der sogenannten «politischen Sommerpause» geben Bundesrat und Verwaltung eiligst wichtige Entscheide am Laufmeter bekannt – und überfluten Medien und Öffentlichkeit in einem solch rasanten Tempo, dass diese gar nicht nachkommen, alles sauber zu reflektieren. Ein Schelm, wer dahinter ungute Absichten vermutet. Dabei merkt jeder, der mit politischer Taktik und dem Wirken der Bundesverwaltung ein bisschen vertraut ist, dass hier kein Zufall am Werk ist.
«Spalte rechts»-Kolumne von Anian Liebrand, erschienen in der «Schweizerzeit» am 5. Juli 2024
Seit jeher scheint bei politischen Machthabern und Verwaltungsstellen beliebt zu sein, heisse Entscheide kurz vor den Sommerferien zu verkünden. Wenn sich gefühlt das halbe Land im Ferienmodus befindet und abschalten will, sind schliesslich weniger lästige Rückfragen zu erwarten – und politische Debatten werden erst gar nicht aufflammen. Dass gleichzeitig noch ein aufmerksamkeitsfressendes Grossturnier wie die Fussball-Europameisterschaft stattfindet, spielt der Classe politique erst recht in die Hände.
Bevor sie sich für ihr «Bundesratsreisli» abmeldete, hat die Landesregierung in der letzten Juni-Woche zu gut vier Dutzend Geschäften Mitteilungen publiziert. Darunter auch, dass der Bundesrat die SVP-Nachhaltigkeitsinitiative («Keine Zehn-Millionen-Schweiz») und die Neutralitätsinitiative ablehne. Der Bundesrat hält die anhaltenden Probleme der Masseneinwanderung und die Neutralitätsbrüche der vergangenen Monate offenbar für so unbedeutend, dass er zu diesen Initiativen nicht einmal einen Gegenvorschlag unterbreiten will. Man wird den Eindruck nicht los, dass man hier zwei unbequeme Dossiers noch Ruckzuck abschliessen wollte, bevor man sich an den Strand verabschiedet.
So nachvollziehbar solch menschliche Bedürfnisse auch sein mögen: Die Problemverweigerung zu den genannten Vorlagen, die zu den relevantesten politischen Kernbereichen unserer Tage gehören, ist symptomatisch für den Geist, der Bundesbern durchzieht. Es dominiert die organisierte Verantwortungslosigkeit einer Kaste, die sich in ihrem Elfenbeinturm von den wahren Problemen der sie finanzierenden Bevölkerung meilenweit entfernt hat. Allen «Buebetrickli» zum Trotz werden wir aber nicht zulassen, dass einfach Gras darüber wächst. Diesen Gefallen werden wir den Problemverweigerern und Funktionären nicht tun. Der Aufklärungskampf für ein Volks-Ja zu diesen zentralen Volksinitiativen hat gerade erst begonnen.