NZZ über bürgerliche Jungparteien: «Frühling bei den Jungen»

Quelle: Neue Zürcher Zeitung Online, 26. März 2014

Jungfreisinnige, Junge CVP und Junge SVP nähern sich an und üben Kritik an den Berührungsängsten der Mutterparteien. Sie wollen die Gräben der Vergangenheit zuschütten.

Es war ein unscheinbarer Satz, letzte Woche, angefügt an eine gemeinsame Medienmitteilung der Jungparteien von SVP, FDP und CVP, als sie sich zur Reform der Altersvorsorge äusserten. Die Zusammenarbeit beschränke sich nicht auf die Rentenpolitik, hiess es dort, sondern die Jungparteien wollten auch in anderen Themen verstärkt zusammenspannen und die Kräfte bei Gemeinsamkeiten gezielt bündeln.

Bricht da ein neuer Frühling im bürgerlichen Lager an, beschränkt auf die junge Generation?

Wollen Berührungsängste zwischen den Parteien überwinden: Anian Liebrand (Präsident junge SVP), Maurus Zeier (Präsident Jungfreisinnige) und Jean-Pascal Ammann (Präsident junge CVP) (von links). (Bild: LUKAS LEHMANN / Keystone)

Was für ein Kontrast jedenfalls zur Bundespolitik der Mutterparteien in den letzten 20 Jahren, in denen das einstige bürgerliche Lager regelrecht heruntergewirtschaftet worden ist. Wer heute in der Wandelhalle im Bundeshaus mit Vertretern von SVP, FDP und CVP spricht, merkt rasch: Das Verhältnis dieser Parteien ist nicht von Vertrauen geprägt. Ganz im Gegenteil, persönliches und inhaltliches Misstrauen sowie parteipolitische Taktik dominieren.

Anders der Eindruck, den man von der anderen Ratshälfte gewinnt: Vertreter der linken Parteien, so scheint es, vertrauen sich auf der persönlichen Ebene eher, sicherlich aber stecken sie die Köpfe gezielt zusammen, arbeiten an Resultaten orientiert, strategisch.

Die Nase voll

Seit der EWR-Abstimmung 1992 und der Radikalisierung der aussenpolitischen Positionen innerhalb der SVP bildet die Kernfrage des Grades der internationalen Annäherung einen bedeutenden Spaltpilz im «bürgerlichen Lager». Das gleichzeitige Erstarken der SVP bei den Wähleranteilen – nicht nur durch Einverleiben von kleinen Rechtsparteien, sondern auch auf Kosten von CVP und FDP – trug natürlich einiges zum verletzten Stolz der einst mächtigen beiden Parteien bei. Bundesratswahlen und Stilfragen kamen hinzu.

Die junge Garde hat von den Grabenkämpfen die Nase gestrichen voll. Ihnen kommt zugute, dass sie die teilweise tief gehenden Verletzungen der Vergangenheit nicht hautnah erlebt haben. Möglicherweise ist aber auch eine Generation am Werk, die damit besser umgehen kann. Die EU-Frage scheint sie nicht in dem Masse zu bewegen wie «1992» ihre Vorgänger. Zumindest stellt das Abstimmungsresultat vom 9. Februar zur SVP-Zuwanderungsinitiative den jetzigen Schulterschluss der Jungen nicht infrage.

Jean-Pascal Ammann, der Präsident der Jungen CVP, sagt: «Wir haben eine gemeinsame Wertbasis, die uns klar von der Linken unterscheidet.» Dazu zählt er eine grundsätzliche Skepsis gegenüber dem Staat, Eigenverantwortung, das Recht auf Selbstbestimmung, Ablehnung der Überregulierung und den Föderalismus. Häufig scheiterten bürgerliche Allianzen nicht an Uneinigkeit, sondern an der mangelnden Koordination und an Interesse oder Zwang zur eigenen Profilierung. Es gelte, vermehrt den gemeinsamen Nenner zu suchen.

Maurus Zeier pflichtet ihm bei. «Der bürgerliche Block muss zwingend und so schnell wie möglich wiederhergestellt werden», sagt der Präsident der Jungfreisinnigen. Die Zerstrittenheit der Bürgerlichen helfe der Linken, sonst niemandem. «Mir sind die Wunden der Vergangenheit egal. Ich sehe und kenne auch keine Gräben», sagt Zeier. Ist das nur jugendlicher Optimismus, Sturm und Drang, Besserwisserei gar? Ist es einzig eine Frage der Zeit – wie ältere Semester meinen –, bis die harte Realität und der politische Häuserkampf die Jungen aus SVP, FDP und CVP einholen – mit Verletzungen und irreparablen Schäden?

Verschwundene Reflexe

Anian Liebrand präsidiert seit dem Februar die Junge SVP. Er meint: «Bei den Jungen in der FDP und der CVP ist der Anti-SVP-Reflex weg.» Den Jungparteien gehe es nicht um den Kompromiss um jeden Preis, niemand wolle sein Profil verwässern. Er habe kein Problem damit, dass die Junge CVP in Ausländerfragen weiter links stehe als seine Partei. Deshalb müsse man sich doch nicht zerstreiten, es blieben genügend Felder, wo eine Kooperation Sinn habe, etwa in der Finanz- und Wirtschaftspolitik. Zeier sagt: «Über Jahre war alles schlecht, was von der SVP kam. Das ist falsch. Es muss ein Umdenken stattfinden.»

Die Annäherung der Jungparteien wird freilich auch dadurch erleichtert, dass alle drei Präsidenten aus dem Kanton Luzern stammen und sich – auch persönlich – kennen. Möglicherweise wächst aber auch eine junge Generation heran, die nicht nur weniger Berührungsängste hat, sondern sich politisch-inhaltlich tatsächlich näher steht. Für Liebrand ist das so, und er merkt nicht uneigennützig an: «Die Jungfreisinnigen sind nach rechts gerückt.» Dort denke man wieder «klassisch-bürgerlich», wie in den 1970er Jahren.

Die Präsidenten der Jungparteien gehen aber nicht nur in sich, sondern sie warnen auch ihre Mutterparteien. «Wenn es auf der nationalen Ebene so weitergeht, gewinnt nur die Linke», sagt Liebrand. Man müsse aufeinander zugehen. «Der Anti-SVP-Reflex ist der grösste Fehler in der CVP», sagt der christlichdemokratische Ammann. Die Dämonisierung der SVP mache diese nur noch stärker, so ist er überzeugt. Derweil vergesse man in der CVP, «auf das Volk zu hören». Er wolle, dass seine Mutterpartei wieder eine volksnahe, nicht aber eine populistische Politik mache. Man rede zu häufig über das «C» und viel zu wenig über das «V». Die CVP wolle doch auch Volkspartei sein, zumindest in ihren Stammlanden.

Auch Zeier, der Jungfreisinnige, redet seiner Mutterpartei ins Gewissen: «Der typische FDP-Politiker ist zu differenziert und macht Kompromisse gegenüber Mitte-Links, die aus liberaler Sicht nicht optimal sind.» Diese «falsche Vernunft» sei es, die das Auseinanderdriften des bürgerlichen Lagers noch begünstige – neben den in den letzten 20 Jahren aufgebauten Ressentiments. Von diesen wollen die drei Politiker nichts mehr wissen – wobei ein Frühling noch keinen Sommer ausmacht.

Anian Liebrand
Anian Liebrand
Geboren 1989 in Fribourg. Aufgewachsen in Beromünster LU. Nach Abschluss der kaufmännischen Berufsmatura diverse praxisnahe Weiterbildungen, u.a. im Marketing. Von 2014 bis 2016 Präsident der Jungen SVP Schweiz. Heute in verschiedenen Funktionen für unterschiedliche Parteien und Organisation tätig. 2020 Gründung der Politagentur.ch GmbH als deren Geschäftsführer.

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