Die Fussball-Europameisterschaft zieht die Menschen wieder in den Bann. Und logisch: Auch ich bin begeistert, dass unsere Nati so brilliert und nach dem Sieg gegen Italien nun (mindestens) im Viertelfinal steht.
«Schlusspunkt»-Kolumne von Anian Liebrand, erschienen in der «Schweizerzeit» am 5. Juli 2024
Ich freue mich über den Anblick so vieler Schweizer Fahnen und Menschen aus allen Altersklassen, die für unser Land «fanen». Aller EU-Gleichmacherei zum Trotz: Sport-Nationalteams – und in besonderer Weise jene des Fussballs – sind nach wie vor ein starker Treiber eines gesunden Patriotismus, der Landsleute näher zusammenrücken lassen kann.
Für mich persönlich bisher ein Highlight dieser EM: Georgien. Wie inbrünstig und leidenschaftlich die georgischen Spieler und Fans ihre Landeshymne singen, sorgt für Gänsehaut. Schön wäre, wenn sich das Einstehen für das eigene Land nicht bloss auf 90 Minuten eines Fussballspiels beschränken würde. Aber da wollen wir mal nicht so sein: Wer im Schweizer Nati-Dress begeistert die Schweiz anfeuert, ist für politisches Bewusstsein zumindest «nicht verloren» …
Viel fraglicher sind all die Begleiterscheinungen, die das Milliarden-Geschäft Fussball in den letzten Jahrzehnten korrumpiert und verdorben haben. Der Veranstalter UEFA rechnet laut deutschen Medien durch die Fussball-EM 2024 mit einem Gewinn von mehr als einer Milliarde Euro. Allein für die Fernsehübertragungsrechte hat die UEFA Einnahmen von 1,44 Milliarden Euro budgetiert. Die SRG – und damit wir Gebührenzahler – stemmt dafür wohl einen zweistelligen Millionenbetrag. Neu sind solche Exzesse nicht, längst regiert in den Fussball-Ligen Europas der Mammon. Für sogenannte «Spitzenfussballer» – moderne Söldner und Gladiatoren – fliessen astronomisch hohe Summen, für Oligarchen und Scheichs scheint es mittlerweile zum guten Ton zu gehören, eine eigene, mit viel Geld geschmierte Fussballmannschaft zu besitzen. Der Breitensport – dort, wo «König Fussball» der jungen Generation nach wie vor wichtige Werte wie Teamgeist und Disziplin vermitteln kann – sieht von diesen Wahnsinnsgeldern wenig bis gar nichts.
Bei aller Freude über die Teamleistungen von Xhaka, Shaqiri oder Embolo muss man sich schon fragen, ob man es noch mit sich vereinbaren kann, einen solchen «Brot und Spiele»-Zirkus zu unterstützen. Eine Frage, die letztlich jeder für sich selbst beantworten muss.