Das Schweizer Justizsystem ist völlig aus den Fugen geraten. Den neusten Beweis dafür liefert ein Entscheid des Regionalgerichts Plessur in Chur. Am 8. November 2024 verurteilte das Gericht einen ehemaligen Bündner Verwaltungsrichter (!) wegen Vergewaltigung seiner damals 24-jährigen Praktikantin. Zudem sprach es ihn der mehrfachen tätlichen sexuellen Belästigung sowie der mehrfachen Drohung schuldig.
«Schlusspunkt»-Kolumne von Anian Liebrand, erschienen in der «Schweizerzeit» am 22. November 2024
Das von den Churer Richtern ausgesprochene Strafmass ist an Lächerlichkeit nicht zu überbieten. Der Ex-Richter muss für diese Straftaten nicht etwa in den Knast. Nein, er kassiert bloss eine bedingte Freiheitsstrafe von 23 Monaten und zusätzlich eine bedingte tiefe Geldstrafe – beide Strafen bei einer Probezeit von zwei Jahren. Was für ein Schlag in die Magengegend des Opfers und was für eine Verhöhnung jeder vergewaltigten und misshandelten Frau!
Das Beispiel von Chur ist beileibe nicht das erste Skandalurteil in Strafrechtsangelegenheiten. Schon seit Jahren kommentieren Beobachter der Schweizer Justiz spöttisch, aber leider zutreffend: «Die erste Vergewaltigung gibt’s gratis!» Es scheint sich in der Rechtsprechung eingebürgert zu haben, dass die Gerichte praktisch durchs Band bloss das unterste Drittel des Strafrahmens ausschöpfen. Egal, ob es um schwere Ausländerkriminalität, Sexualverbrechen oder Mord geht – die Schweizer Gerichte urteilen fast immer unverständlich mild. Wir sind offensichtlich – zumindest, wenn es nicht um Meinungsdelikte geht! – von «Kuschelrichtern» umgeben.
Laut einer repräsentativen Sotomo-Umfrage im Auftrag des «Nebelspalters» vom September 2024 sind 78 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer der Meinung, dass Vergewaltiger mit zu milden Strafen davonkommen. Was also läuft schief? Die Softie-Gerichte sind jedenfalls nicht der einzige Grund für das offensichtliche Systemversagen in Strafrechts-Fällen. Auf politischer Ebene hat die SVP schon unzählige Anläufe genommen, um höhere Mindeststrafen durchzusetzen. Mehrheiten von Mitte-Links haben diese Vorstösse aber meist abgelehnt!
Erstaunlich: Genau jene Feministinnen von SP und Grünen, denen wir es zu verdanken haben, dass sich viele Männer im Berufsleben kaum mehr getrauen, einer Frau Komplimente zu machen (Stichwort: «Me too») und die hinter jeder männlichen Regung eine potenzielle «Unterdrückung» sehen, haben bisher härtere Strafen gegen Vergewaltiger verhindert! Dass sich diese fehlgeleiteten Funiciellos und Co. überhaupt noch in den Spiegel schauen können, bleibt mir ein Rätsel.