Nun ist die Katze aus dem Sack. Begleitet von einer Armada von Chefbeamten, präsentierte Bundesrat Ignazio Cassis das neue Monster-Abkommen mit der EU. 1’889 Seiten umfasst das Vertragswerk mitsamt seinen Anhängen; auch wir von der «Schweizerzeit» werden es im Rahmen der Vernehmlassung studieren.
«Spalte rechts»-Kolumne von Anian Liebrand, erschienen in der «Schweizerzeit» am 20. Juni 2025
Bereits bekannt sind Eckwerte zu den jährlichen Kosten. Rund eine Milliarde betragen sie, davon alleine ein Kohäsionsbeitrag von 350 Millionen. Die grossen Konfliktlinien, die 2024 im sog. «Common Understanding» festgehalten wurden, bestätigen sich allesamt: der Unterwerfungsvertrag sieht die «dynamische» Rechtsübernahme sowie den Europäischen Gerichtshof als letztinstanzliches Gericht bei Streitfällen vor. Wenn die Schweiz nicht spurt und Volksentscheide der EU zuwiderlaufen, soll es Sanktionen, getarnt als «Ausgleichsmassnahmen», geben. Es ist ein Riesenskandal, dass sich Bundesrat und Parlamentskommissionen nach wie vor sträuben, einen Vertrag von solch extremer Tragweite partout nicht dem Ständemehr zu unterstellen.
Zwischen den Zeilen gewinnen geübte Augen erste Einblicke in die Kampagnen-Strategie, mit der dieser Vertrag beim Volk durchgeboxt werden soll. Bundesrat Cassis wartete pünktlich zur Medienkonferenz mit einer Studie auf, laut welcher der Schweiz bis 2045 ohne «EU-Abkommen mit Marktzugang» ein Verlust von 500 Milliarden Franken drohe. Pro Jahr und Einwohner entspreche das 2’500 Franken. Bundesrat Jans vergleicht den EU-Vertrag mit dem Rütlischwur – es gehe nun um ein «urschweizerisches» Projekt, das unserem Land die Zukunft sichere. In der zweiten Reihe soll EU-Turbo und SP-Nationalrat Eric Nussbaumer mit aggressiver Rhetorik die Genossen auf Kurs bringen, denselben Part bei der Mitte übernimmt Elisabeth Schneider-Schneiter. FDP-Nationalrat Simon Michel äussert medial die «Erwartung», dass sich seine FDP ebenfalls einzureihen habe.
Die Fronten klären sich, und was viele Schweizer in den letzten Jahren nie für möglich gehalten hätten, droht sich zu konkretisieren. Die Befürworter einer Eingliederung in die EU – als faktischer EU-Beitritt – waren nie weg, sie haben bloss gelauert und sehen jetzt ihre Stunde gekommen. Der Schweiz steht eine Jahrhundert-Auseinandersetzung bevor, die uns alles abverlangen wird – wie anno 1992 die EWR-Abstimmung. Rüsten wir uns und bereiten wir uns vor – ich hoffe, dass die «Schweizerzeit» auf Sie zählen darf.