Wir alle, die wir interessiert das Zeitgeschehen verfolgen, neigen dazu, von einem «gehypten» Medienereignis zum nächsten zu huschen. Eine sozialistische Maximalforderung da, ein Promiskandal dort: Täglich werden wir mit allerlei Meldungen geflutet – und zu allem, so meinen wir zumindest, müssen wir uns sofort eine Meinung bilden. Für Politiker gelten diese Mechanismen in besonderem Masse. Das stellt gerade die Milizparlamentarier, naturgemäss unter extremer Zeitnot leidend, vor Herausforderungen.
«Spalte rechts»-Kolumne von Anian Liebrand, erschienen in der «Schweizerzeit» am 27. September 2024
Da eben jener Milizgedanke vorwiegend noch von bürgerlichen, konservativen Volksvertretern gelebt wird, ist die das rechtsbürgerliche Lager repräsentierende SVP stark gefordert, um im rasant-chaotischen Medienzeitalter möglichst gut zu bestehen – was heisst: das von der Wählerschaft geforderte Gedankengut optimal in Macht und Einfluss umzuwandeln.
Ich wage zu behaupten, dass dies nur möglich ist, wenn sowohl gewählte Volksvertreter als auch Parteirepräsentanten über einen stabilen Wertekompass und ein in sich gefestigtes Weltbild verfügen, die ihnen als Leitlinien für die politische Arbeit dienen. Das setzt voraus, dass man sich stets fortbildet, viel liest, sich hin und wieder bewusst aus dem gehetzten Alltagsgeschäft herausnimmt, in sich geht und sich vertieft darüber Gedanken macht, woher man eigentlich kommt und wohin man mit seiner Politik will. Wer diese geistige Grundlagenarbeit verinnerlicht und sein Handeln nach einem klaren Kompass ausrichtet, hat auch keine Probleme, bei politischen Sachgeschäften oder kurzfristigen Medienanfragen die grossen Linien zu erkennen und das Richtige abzustimmen bzw. zu sagen. Denn er oder sie erfasst dann nämlich die Zusammenhänge und schafft es, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen – und erkennt die Gefahren und Agenden hinter jenen Vorhaben, die sich vielfach hinter schönen Worthülsen verbergen.
Vordenker wie Christoph Blocher oder Ulrich Schlüer sind Meister dieses geerdeten, auf solidem Fundament stehenden Politikverständnisses. Ganz allgemein aber bestehen bei vielen rechten Politikern heute leider grosse Defizite, was politische Grundlagen und Programmatik betrifft. Hier müssen und werden wir in Zukunft ansetzen, damit sich die Thesen des (im Übrigen sehr empfehlenswerten) Buches «Warum Konservative immer verlieren» nicht länger von der Realität bestätigen lassen.