In der kaukasischen Region Nagorni Karabach (Berg-Karabach) ereignet sich eine völkerrechtliche Katastrophe. Seit neun Monaten blockiert Aserbaidschan den Latschin-Korridor, die einzige Verbindungsstrasse zwischen Berg-Karabachs Hauptstadt Stepanakert und der Aussenwelt. Die Karabach-Armenier drohen zu verhungern – und als wäre das Unheil noch nicht verheerend genug, hat Aserbaidschan am 19. September 2023 auch noch einen gross angelegten militärischen Angriff auf Berg-Karabach gestartet.
«Schlusspunkt»-Kolumne von Anian Liebrand, erschienen in der «Schweizerzeit» am 29. September 2023
Wie so häufig berichten unsere Medien erst, wenn die Lage eskaliert ist. Dabei warnen Menschenrechtsorganisationen wie Christian Solidarity International (CSI) schon lange, dass die Blockade Berg-Karabachs den Anfang eines Völkermords bedeutet. Nun sind die Vorräte der 120‘000 Einwohner Berg-Karabachs aufgebraucht, bereits wurden erste Hungertote registriert. In Stepanakert sind Mehl, Gas und Diesel genauso Mangelware wie Strom und Medikamente. Seit dem Militärangriff flüchten Tausende verzweifelt nach Armenien.
Worum geht es in diesem Konflikt eigentlich? Im September 1991 hat sich das von christlichen Armeniern bewohnte Berg-Karabach nach den Regeln des Völkerrechts von der Sowjetunion und somit auch von Aserbaidschan getrennt. Das muslimische Aserbaidschan, auf dessen Territorium sich Berg-Karabach befindet, akzeptiert das Selbstbestimmungsrecht der Karabach-Armenier jedoch nicht. Immer wieder kommt es zu militärischen Auseinandersetzungen, die Armenier befürchten Vertreibung und ethnische Säuberung.
Die Schweiz ist ja bekanntlich seit Kurzem Mitglied des Uno-Sicherheitsrates. Die bewaffnete Neutralität ist vielen Funktionären ein Dorn im Auge, zu allen möglichen Themen gibt die offizielle Schweiz «ihren Senf» ab. Nur beim Berg-Karabach-Konflikt, wo Vertreibung und Vernichtung der christlichen Karabach-Armenier drohen, drückt sich die Schweiz vor der Verantwortung. So hat sie es verpasst, an der Sitzung vom 21. September Aserbaidschan zur Achtung des Völkerrechts zu bewegen.
Einfach nur widerlich und scheinheilig ist das Verhalten der Migros. Sie erinnern sich: Wegen einer anonymen Beschwerde auf Twitter hat der Konzern 2020 beschlossen, den «Mohrenkopf» aus den Regalen zu nehmen. An einer Zusammenarbeit mit dem aserbaidschanischen Ölkonzern SOCAR (via Migrolino) hält die Migros allerdings trotz lauter Proteste bis heute fest. Mohrenkopf Nein, Blutgeld Ja – Migros, schäme Dich!